Einkommensteuererklärung: Pflicht zur elektronischen Übermittlung

13. November 2020 | Verfahrensrecht

Die Abgabe der Einkommensteuererklärung durch Datenfernübertragung ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen.

Praxis-Beispiel:
Der Steuerpflichtige war seit 2006 selbständiger Physiotherapeut. Mitarbeiter und Praxis-/Büroräume hatte er nicht, ebenso wenig einen Internetzugang. Bis einschließlich 2016 akzeptierte das Finanzamt die handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke. Für das Jahr 2017 forderte es den Steuerpflichtigen mehrfach erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und setzte daraufhin ein Zwangsgeld fest. Den Antrag des Steuerpflichtigen, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, lehnte das Finanzamt ab. Das Finanzgericht verpflichtete das Finanzamt, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten, und hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf.
 

Der BFH hat entschieden, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten muss, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Da der Steuerpflichtige im Jahr 2017 nur 14.534 € aus seiner selbständigen Arbeit erzielt hatte, ging der BFH davon aus, dass der Umfang der freiberuflichen Tätigkeit mit einem Kleinstbetrieb vergleichbar ist. Die elektronische Erklärungsabgabe konnte daher nicht rechtmäßig angeordnet werden. Somit kann auch das Zwangsgeld keinen Bestand haben.

Quelle: BFH | Urteil | VIII R 29/19 | 15-06-2020