Erzieherische Tätigkeit: gewerblich oder freiberuflich?

26. Februar 2021 | Gewerbesteuer

Eine selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit ist als freiberuflich und nicht als gewerblich einzustufen. Eine erzieherische Tätigkeit ist – über die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten hinaus – auf die umfassende Schulung des menschlichen Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet. Konsequenz: Zielt eine im Rahmen einer ambulanten Eingliederungshilfe gewährte Unterstützung für behinderte oder erkrankte Menschen darauf ab, gemeinsam erkannte, individuelle Defizite einer Person auszugleichen, liegt keine erzieherische Tätigkeit vor.

Praxis-Beispiel:
Eine Diplomsozialarbeiterin unterstützte im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe Menschen mit einer psychischen Erkrankung, körperlichen oder geistigen Behinderung oder chronischen Suchterkrankung (Alkohol oder Cannabis) bei einer selbstbestimmten Lebensführung. Die Unterstützung erfolgte durch Beratungs-, Begleitungs-, Betreuungs- und Förderleistungen auf der Grundlage eines mit dem Klienten erarbeiteten, individuellen Hilfeplans. Ziel war es, den Klienten einen eigenständigen Alltag und die Eingliederung in das soziale Leben zu ermöglichen. Das Finanzamt stufte die Tätigkeit als gewerblich ein und erließ einen Gewerbesteuermessbescheid.

Eine Diplomsozialarbeiterin, die im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe behinderte und kranke Menschen bei einer selbstbestimmten Lebensführung unterstützt, übt keine erzieherische Tätigkeit aus und erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer ambulanten Pflegeeinrichtung, die von der Gewerbesteuer befreit ist (§ 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG). Eine Tätigkeit, die darauf abzielt, Klienten darin zu unterstützen, bestimmte individuelle Verhaltensprobleme und "Persönlichkeitsdefekte" zu überwinden, ist nicht auf eine umfassende Schulung des Charakters bzw. auf die Bildung von der Persönlichkeit im Ganzen gerichtet, sodass keine erzieherische Tätigkeit vorliegt. 

Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen. Eine ambulante Pflegeeinrichtung setzt voraus, dass sie unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft steht. Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft ist neben einem Abschluss als Pflegefachfrau oder Pflegefachmann, Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder Altenpflegerin oder Altenpfleger eine näher beschriebene praktische Berufserfahrung erforderlich. Bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, gelten auch nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit näher beschriebener Berufserfahrung als ausgebildete Pflegefachkraft.

Die Anforderungen für die Annahme einer ambulanten Pflegeeinrichtung sind im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin als Diplomsozialarbeiterin keine ausgebildete Pflegefachkraft ist.

Quelle: BFH | Urteil | VIII R 10/17 | 28-09-2020