Der Kläger hatte in seiner Revision für das Jahr 2008 geltend gemacht, dass seine seit dem Jahr 2007 laufende Rente doppelt besteuert werde. Der BFH hat die Revision zurückgewiesen, weil sich angesichts des recht hohen Rentenfreibetrags von 46% der Rentenbezüge des Klägers keine doppelte Besteuerung ergab. Der BFH hat in diesem Zusammenhang erstmals dargelegt, welche Faktoren (Berechnungsparameter) zu berücksichtigen sind, um feststellen zu können, ob Renten doppelt besteuert werden. In diesem Zusammenhang geht der BFH auf die Vorgaben des BVerfG ein, die zu einer Umstellung der Rentenbesteuerung ab 2005 geführt haben.
Bis 2004 unterlagen Renten nur mit einem geringen Anteil (dem sog. „Ertragsanteil“) der Einkommensteuer. Dadurch zahlten Rentner, die neben ihrer Rente keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte hatten, regelmäßig keine Einkommensteuer. Pensionäre (ehemalige Beamte und Empfänger von Betriebspensionen) mussten ihre Altersbezüge voll versteuern. Das BVerfG hat hierin eine erfassungswidrige Ungleichbehandlung gesehen und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet (Urteil vom 06.03.2002 – 2 BvL 17/99). Die Besteuerung wurde daraufhin neu geregelt, sodass seit dem 1.1.2005 nicht nur Pensionen, sondern auch Rentenbezüge im Grundsatz voll einkommensteuerpflichtig sind. Im Gegenzug können die Steuerpflichtigen ihre Altersvorsorgeaufwendungen (insbesondere ihre Rentenversicherungsbeiträge) als Sonderausgaben abziehen. Diese Umstellung führt im Ergebnis zu einer nachgelagerten Besteuerung.
Eine sofortige volle Besteuerung der Renten war nicht möglich, weil die Rentner ihre Beiträge, die sie bis 2004 geleistet hatten, nicht in vollem Umfang einkommensteuerlich geltend machen konnten. Eine sofortige Steuerfreistellung sämtlicher Rentenversicherungsbeiträge erschien dem Gesetzgeber wegen des damit verbundenen Ausfalls an Steuereinnahmen unmöglich. Er hat daher sowohl für die Besteuerungsseite als auch für die Beitragsseite langfristig wirkende Übergangsregelungen geschaffen. Die Vorgabe des BVerfG hinsichtlich der Übergangsregelungen lautete wie folgt: „In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.“
Mit der Systemumstellung werden die Renten nach einer Übergangsphase bis 2040 voll versteuert. Der steuerpflichtige Teil der Rente begann 2005 mit 50%. Der Prozentsatz von 50% erhöht sich bis 2020 in jedem Jahr um 2% und danach bis 2040 in jedem Jahr um 1%. Der Prozentsatz richtet sich dauerhaft nach dem Jahr, in dem die Rente zu laufen beginnt. So sind bei Rentnern, die im Jahr 2021 erstmals eine Rente beziehen, nur noch 19% der Rente steuerfrei. Rentner, die ab 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, müssen ihre gesamte Rente versteuern. Für die Beitragsseite sehen die Übergangsregelungen vor, dass im Jahr 2005 zunächst nur 60% der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden konnten, im Jahr 2021 sind es 92%. Ab dem Jahr 2025 werden sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben abziehbar sein.
Wichtig! Der BFH hat für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten festgelegt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente einzubeziehen sind. Andere Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen wollte, müssen nach Auffassung des BFH unberücksichtigt bleiben. Sie dienen anderen Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Damit muss insbesondere auch der sog. Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt bleiben.
Fazit: Nach den Berechnungsvorgaben des BFH ergibt sich, dass spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein werden. Grund dafür ist, dass mit jedem Jahr der Rentenfreibetrag für jeden neuen Rentnerjahrgang kleiner wird, weil der Rentenfreibetrag immer weiter abgeschmolzen wird. Der Rentenfreibetrag wird daher künftig in vielen Fällen rechnerisch nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren.
Fazit: Das Urteil des BFH macht eine Nachregelung der Rentenbesteuerung für spätere Rentnerjahrgänge im Rahmen der Übergangsregelungen erforderlich. Da Einzelberechnungen weder zweckmäßig noch praktikabel sind, sind Gesetzesänderungen erforderlich.