Kindergeld: Einheitliche Erstausbildung

17. September 2021 | Einkommensteuer

Der "Gesamtplan" des Kindes, sein Berufsziel erst durch eine weitere Ausbildung zu erreichen, ist nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung. 
Die Festsetzung von Kindergeld und die Verfügung über die Nichtauszahlung des Kindergelds sind zwei eigenständige Verwaltungsakte. Richtet sich der Einspruch nicht gegen die Festsetzung des Kindergelds, sondern nur gegen die verweigerte Auszahlung, kann die Familienkasse im Einspruchsverfahren die Festsetzung von Kindergelds nicht erneut überprüfen.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist der Vater seines 1990 geborenen Sohnes, der im Juni 2013 seine Ausbildung zum Bankkaufmann beendete. Im direkten Anschluss trat er eine Vollerwerbsstelle in seinem Ausbildungsbetrieb an. Im Februar 2014 begann der Sohn einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bankfachwirt/Bankkolleg, der bis Juni 2016 andauerte. Mit Antrag vom Dezember 2017 beantragte der Vater rückwirkend Kindergeld von Juli 2013 bis Februar 2015. Er machte geltend, dass der Sohn sein Berufsziel mit Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann noch nicht erreicht habe. Trotz des Studienbeginns im Februar 2014 sei der enge zeitliche Zusammenhang gegeben, da der Studiengang nur einmal im Jahr angeboten werde.
Die Familienkasse setzte daraufhin Kindergeld für den Zeitraum April 2013 bis einschließlich Februar 2015 fest. Die Festsetzung enthielt den Hinweis, dass eine Nachzahlung wegen des verspäteten Antrags (nach dem 31.12.2017) ausgeschlossen sei.

Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass nunmehr zwar von einem Zugang des Kindergeldantrags im Dezember 2017 ausgegangen werde, ein Kindergeldanspruch aber für den Streitzeitraum nicht bestehe, da die Ausbildung zum Bankkaufmann und das Studium nicht Teile einer einheitlich Erstausbildung seien. Mit dieser Begründung wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage beim Finanzgericht hatte für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Ansicht, dass der vorliegende Gesamtplan des Kindes, das Ende der Berufsausbildung erst durch den Abschluss "Bankfachwirt" zu erreichen, die Vollzeiterwerbstätigkeit überlagere und dementsprechend nicht entscheidungserheblich sein könne.

Das Finanzgericht hat den Erstausbildungsbegriff fehlerhaft ausgelegt. Die die Entscheidung des Finanzgerichts, dass der berufsbegleitende Studiengang "Bankfachwirt" zusammen mit der Ausbildung zum Bankkaufmann noch eine einheitliche Erstausbildung bildet, ist revisionsrechtlich zu beanstanden. Der "Gesamtplan" des Kindes, die Ausbildung erst mit Abschluss des Bankbetriebswirtes als beendet anzusehen, kann nicht als allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Ausbildung sein, welches alle anderen Kriterien "überlagert". Eine einheitliche Erstausbildung kann daher durch das angestrebte Berufsziel des Kindes nicht nachvollziehbar begründet werden.

Aber! Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Finanzgerichts führt jedoch aus anderen Gründen nicht zum Erfolg der Revision. Soweit die Familienkasse das Kindergeld für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 festgesetzt hatte, ist dieser Bescheid bestandskräftig geworden. Die Familienkasse konnte diese Festsetzung des Kindergeldes nicht durch eine Einspruchsentscheidung ändern, da der Einspruch des Klägers sich nicht hiergegen gerichtet hatte. 

Soweit die Familienkasse in ihrer Einspruchsentscheidung ausführt, dass das Kindergeld abgelehnt worden sei, betraf die Ablehnung nicht die Festsetzung, sondern lediglich die Auszahlung des Kindergeldes. Die Familienkasse hat vielmehr das Kindergeld vorbehaltslos festgesetzt und lediglich ausgeführt, dass die verspätete Antragstellung einer Nachzahlung entgegenstehe. Der hiergegen eingelegte Einspruch richtete sich somit allein gegen die Ablehnung der Nachzahlung.

Fazit: Die Aufhebung der Einspruchsentscheidung bewirkt, dass die vorbehaltlose rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes durch die Familienkasse konstitutiv wirkt und die Familienkasse im Erhebungsverfahren bindet. Die Familienkasse ist damit grundsätzlich zur Auszahlung verpflichtet, soweit keine anderweitigen Auszahlungshindernisse bestehen. Einer erneuten Verpflichtung der Familienkasse zur Festsetzung des Kindergeldes bedarf es daher nicht.

Quelle: BFH | Urteil | III R 50/20 | 13-04-2021