Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Gebäudewert (Gebäudeertragswert) getrennt vom Bodenwert zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts ist von dem Reinertrag des Grundstücks auszugehen (§ 185 Abs. 1 BewG). Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag des Grundstücks abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Rohertrag ist das Entgelt, das nach den vertraglichen Vereinbarungen am Bewertungsstichtag für die Benutzung des bebauten Grundstücks für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Weicht die tatsächliche Miete um mehr als 20% von der üblichen Miete ab, ist der Mittelwert des Mietspiegels anzusetzen.
Praxis-Beispiel:
Ein Sohn und seine Mutter waren Miteigentümer eines Grundstücks, das mit 14 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit bebaut ist. Nach dem Tod der Mutter am 14.2.2012 erbte der Sohn den Miteigentumsanteil seiner Mutter. Zu Ermittlung des Werts, der bei der Erbschaftsteuer zugrunde zu legen ist, war eine Bedarfswertfeststellung durchzuführen. Der Sohn setzte für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts einen jährlichen Rohertrag von 110.160 € an. Dabei ging er für vier Einheiten von den vertraglich vereinbarten Nettokaltmieten aus. Er legte jedoch für elf Einheiten die in dem Mietspiegel ausgewiesenen Mittelwerte zugrunde, weil die tatsächliche Miete diese Mittelwerte zu mehr als 20 % überschritt. Das Finanzamt ging nur bei zwei vermieteten Einheiten von einer Abweichung der tatsächlichen Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 % aus, weil es den obersten Wert des Mietspiegels zugrunde legte. Dadurch ergab sich ein Rohertrag von 130.272 €. Streitpunkt ist also, ob beim Vergleich der tatsächlichen Miete mit der üblichen Miete der mittlere oder der obere Wert des Mietspiegels anzusetzen ist.
Der BFH folgt der Auffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich der "üblichen Miete", jedenfalls soweit es sich um die Ermittlung der Werte handelt, die bei der 20 %-Grenze anzusetzen sind. In Mietspiegeln wird häufig der um Ausreißer bereinigte Durchschnitt aller erhobenen Mietwerte in Form des Mittelwerts veröffentlicht. Zusätzlich werden Mietspannen angegeben, um den Besonderheiten des Einzelfalls besser Rechnung tragen zu können. Grundsätzlich ist der im Mietspiegel ausgewiesene gewichtete Mittelwert anzusetzen.
Bei ausreichenden Anhaltspunkten für einen konkreten niedrigeren oder höheren Wert ist dieser Wert anzusetzen. Für die Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten ist auf den jeweils unteren Wert oder den jeweils oberen Wert der Spanne abzustellen. D.h. eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich. Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels sind als üblich anzusehen. Erst die Überschreitung bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit.
Nach dem Urteil des BFH ist deshalb beim Vergleich nicht auf den Mittelwert abzustellen. Denn das könnte zu dem dann denkbaren, aber sinnwidrigen Ergebnis führen, dass ein Mietpreis, der noch innerhalb der Spannbreite des Mietspiegels liegt, wegen einer die 20 %-Grenze überschreitenden Abweichung vom Mittelwert zu einer Verwerfung der vereinbarten Miete führt.