Arbeitszimmer im selbstgenutzten Eigenheim: Keine Spekulationsteuer

23. Juli 2021 | Einkommensteuer

Der Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie ist steuerpflichtig, wenn er innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb erfolgt. Bei selbstgenutztem Wohneigentum ist der Veräußerungsgewinn allerdings steuerfrei, wenn die Immobilie

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken

genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Der BFH hat entschieden, dass der Gewinn aus dem Verkauf einer selbstgenutzten Wohnung auch dann in vollem Umfang steuerfrei ist, wenn zuvor Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer abgesetzt wurden.

Praxis-Beispiel:
Eine Lehrerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und machte für ein beruflich genutztes Arbeitszimmer in ihrer Eigentumswohnung jeweils Werbungkosten in Höhe von 1.250 € geltend. Auf das häusliche Arbeitszimmer entfielen ca. 10% der Gesamtwohnfläche. Die Lehrerin verkaufte die selbstgenutzte Wohnung innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb. Das Finanzamt unterwarf den auf das Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinn von 10.942 € der Besteuerung, da insoweit keine steuerfreie eigene Wohnnutzung vorliege.

Der BFH vertritt die Auffassung, dass ein häusliches Arbeitszimmer nicht zu einer anteiligen Besteuerung des Veräußerungsgewinns führt. Das Arbeitszimmer ist nämlich in den privaten Wohnbereich integriert. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken umschreibt eine auf Dauer angelegte „Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und den häuslichen Wirkungskreis“. Diese Eigenschaften sind in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft. Das spricht deshalb dafür, dass das Arbeitszimmer (zumindest zeitweise) auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers ist nicht überprüfbar und daher nicht vollständig auszuschließen. Der Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers liegt bereits dann vor, wenn der jeweilige Raum nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird.

Bei einem Arbeitszimmer liegt somit – schon dem Begriff des häuslichen Arbeitszimmers nach – regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des Arbeitszimmers für betriebliche/berufliche Tätigkeiten kann daher unterstellt werden, dass es im Übrigen (also zu weniger als 10%) zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. § 23 EStG enthält keine Bagatellgrenze, sodass bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken genügt, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

Wichtig: Ob dieselben Grundsätze bei Gewinneinkünften angewendet werden können, ist fraglich. Betrieblich genutzte Gebäudeteile, die im Eigentum des Unternehmers stehen, werden als eigenständige Wirtschaftsgüter behandelt, die grundsätzlich zum Betriebsvermögen gehören. Allerdings kann auch hier unterstellt werden, dass eine Nutzung zu weniger als 10% zu eigenen Wohnzwecken erfolgt.

Für die Zuordnung zum Betriebsvermögen gibt es eine Bagatellgrenze, wonach der Unternehmer eine Zuordnung zum Betriebsvermögen unterlassen kann, wenn der anteilige Gebäude- und Grundstückswert nicht mehr als 1/5 des gemeinen Werts (Marktwerts) und nicht mehr als 20.500 € beträgt (Wahlrecht). Konsequenz: Ohne Zuordnung zum Betriebsvermögen müssten dieselben Grundsätze anwendbar sein, die der BFH aufgestellt hat.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 27/19 | 28-02-2021