Erste Betriebsstätte eines Unternehmers

10. Juni 2022 | Gewinnermittlung

Übt ein Unternehmer/Freiberufler seine Tätigkeit im Arbeitszimmer aus oder hat er mehrere Betriebsstätten bzw. mehrere Büros, stellt sich immer die Frage, bei welchen Fahrten es sich um auswärtige Tätigkeiten oder um Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte handelt, bei denen nur die Entfernungspausschale angesetzt werden kann. Die Regelungen, die für Arbeitnehmer gelten, sind sinngemäß auf Unternehmer anzuwenden. Ist die Entfernungspauschale anzusetzen, bucht der Unternehmer die nicht abziehbaren Kosten auf das Buchführungskonto "Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten (nicht abziehbarer Anteil)".

Sucht der Unternehmer mehrere Betriebsstätten auf, ist die erste Betriebsstätte anhand quantitativer Merkmale zu bestimmen. Von einer ersten Betriebsstätte ist auszugehen, wenn es sich um eine Tätigkeitsstätte handelt, die der Unternehmer typischerweise

  • arbeitstäglich oder
  • je Woche an 2 vollen Arbeitstagen oder
  • mindestens zu 1/3 der regelmäßigen Arbeitszeit

aufsucht. Treffen diese Kriterien auf mehrere Betriebsstätten zu, ist die Betriebsstätte als erste Betriebsstätte anzusehen, die am nächsten zur Wohnung liegt. Fahrten zu weiter entfernt liegenden Betriebsstätten sind als Auswärtstätigkeiten zu beurteilen.

Konsequenz:

  • Freiberufler/Unternehmer dürfen bei der Nutzung eines Firmenwagens für ihre Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte nur die Entfernungspauschale geltend machen. 
  • Für das Jahr 2021 gilt ab dem 21. Entfernungskilometer die erhöhte Entfernungspauschale von 0,35 € und für die Jahre 2022 bis 2026 von 0,38 €. 
  • Für die Entfernungen bis zu 20 km ist unverändert eine Entfernungspauschale von 0,30 € zu berücksichtigen.
  • Der Gewinn muss um die nicht abziehbaren Aufwendungen erhöht werden.
  • Nutzt der Unternehmer/Freiberufler ein privates Fahrzeug, kann er die Entfernungspauschale als Betriebsausgabe geltend machen (Buchung über Privateinlage).

Praxis-Beispiel:
Ein Unternehmer benutzt von Januar bis Dezember 2022 (an 165 Arbeitstagen) für die Wege von seiner Wohnung zur 80 km entfernten ersten Betriebsstätte und zurück den eigenen privaten PKW. Dann verlegt er seinen Wohnsitz. Von der neuen Wohnung aus gelangt er ab Oktober (an 55 Arbeitstagen) zur nunmehr nur noch 5 km entfernten ersten Betriebsstätte mit dem Bus. Hierfür entstehen ihm tatsächliche Kosten in Höhe von (3 x 70 € =) 210 €. 

Für die Strecken mit dem eigenen privaten PKW ergibt sich eine Entfernungspauschale von 165 Arbeitstagen x 20 km x 0,30 € = 990 € zuzüglich 165 Arbeitstage x (80 – 20 =) 60 km x 0,38 € = 3.762 € = 4.752 €. Für die Strecke mit dem Bus errechnet sich eine Entfernungspauschale von 55 Arbeitstagen x 5 km x 0,30 € = 83 €. Die insgesamt im Kalenderjahr anzusetzende Entfernungspauschale beträgt 4.835 € (4.752 € + 83 €).

Die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel (210 €) können nicht angersetzt werden, weil die Entfernungspauschale für das gesamte Jahr höher ist.

Quelle: EStG | Gesetzliche Regelung | § 4 Abs 5 Nr. 6 und § 9 Abs. 4 | 09-06-2022