Privates Veräußerungsgeschäft: Zehn-Jahres-Frist

6. August 2021 | Einkommensteuer

Private Veräußerungsgeschäfte (Spekulationsgeschäfte) sind u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Eine "Anschaffung" bzw. "Veräußerung" liegt vor, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind.

Praxis-Beispiel:
Die Eheleute gaben am 20.12.2002 ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb einer Eigentumswohnung ab, das der Veräußerer mit notariell beurkundeter Annahmeerklärung vom 7.1.2003 annahm. Somit erfolgte die Anschaffung am 7.1.2003, weil mit der Annahmeerklärung die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner vorlagen. Das vom Kläger und seiner Ehefrau zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzte Immobilienobjekt befand sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet. 

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27.12.2012 veräußerten die Eheleute die Immobilie. Nach § 4 des Kaufvertrags sollte der Kaufpreis binnen zehn Tagen fällig sein, nachdem den Vertragsparteien die Mitteilung des Notars zugegangen war, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung zum Kaufvertrag vorliege. Die für die Eigentumsumschreibung erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung wurde am 5.2.2013 erteilt. Aus der Veräußerung erzielten die Eheleute unstreitig einen Gewinn von 203.390 €, den das Finanzamt der Besteuerung unterwarf. Den Einspruch, mit dem die Eheleute vortrugen, das Objekt sei nach Ablauf der Haltefrist von zehn Jahren veräußert worden, wies das Finanzamt zurück.

Der BFH bestätigte, dass die "Veräußerung" vorliegt, sobald die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend abgegeben werden. Mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten. Die Vertragsparteien sind zwar mit Abschluss des rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerungsgeschäfts an ihre Willenserklärungen gebunden, es bestehen aber noch keine Erfüllungsansprüche. Mit der Erteilung der Genehmigung wird das Rechtsgeschäft (rückwirkend) wirksam.

Haben sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich so gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfüllt.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 10/20 | 24-03-2021